Im Einsatz für den Wald der Zukunft

  27.06.2024 Reportagen

Rund 150 Kinder der Schule Eichbühl in Hilterfingen haben auf einer Fläche von 3600 Quadratmetern im Mai während einer Woche unter Anleitung des Forstbetriebs Sigriswil 300 junge Bäume gepflanzt. Die gezielte Pflanzaktion soll für mehr Klimaresilienz sorgen. Das Waldstück gehört der Burgergemeinde Hilterfingen.

Das weiss mittlerweile fast jedes Kind: Ohne Pflanzen gäbe es keinen Sauerstoff. Ohne Bäume und Wälder könnten wir nicht überleben. Der Klimawandel, massive Waldbrände und exzessive Ausbeutung setzen den Wäldern weltweit stark zu. Vor unseren Augen verschwinden die Bäume, ein Drittel der globalen Waldfläche ist gefährdet. Mit ihnen gehen die Lebensräume für die Hälfte aller Pflanzen- und Tierarten verloren. Laut einer aktuellen Studie von Science.org sind «43 Prozent aller Baumarten weltweit durch Lebensraumverlust bedroht.» Traurig, aber wahr: Zum grössten Teil ist diese Tatsache durch den Menschen verursacht. Zu glauben, dass das wahllose Anpflanzen von Bäumen die Lösung sei, ist ein Trugschluss. Zwar stimmt es: Jeder Baum zählt. Doch beim Aufforsten und Anpflanzen durch den Menschen stehen heute das Systematische und der Fokus auf die Klimaresilienz im Zentrum.

Die Natur erneuert sich seit jeher auf natürliche und autonome Weise – meist geschieht das durch das Absamen. Wobei stets die natürliche Selektion auch ihren Teil dazu beiträgt was, wann, wie und wo wächst. «Wenn wir nicht eigenhändig pflanzen würden, kämen in diesem Waldstück von selber mehrheitlich Buchen», erklärt Revierförster Beat Reber. Weil es aber in dem gegen Süden hin ausgerichteten Hangwald Breitenwald ob Hilterfingen im Sommer zu grosser Trockenheit kommen kann und der Boden bedingt durch Topografie und Flachgründigkeit über eine verminderte Wasserspeicherleistung verfügt, ist das Eingreifen hier angezeigt. Auch gemäss der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL ist der Trockenstress für Buchen nicht allein von der Witterung und vom aktuellen Niederschlag abhängig. Als essenziell erweisen sich die Wasserreserven im Boden, und ob das Wurzelwerk tief genug reicht, um das Bodenwasser anzuzapfen. Fest steht: Auf Böden mit wenig Wasserspeicherleistung und starker Austrocknung zeigten sich Buchen im Verlauf des Sommers 2023 einmal mehr zunehmend gestresst. Dieser Stress aufgrund von Wassermangel äussert sich zuerst dadurch, dass der Baum die Verdunstung über die Blätter drosselt, das Stammwachstum stoppt und sich die Blätter frühzeitig verfärben oder sogar abfallen.

Dylan, Isabel und Maila
Szenenwechsel zu diesem Frühling im Wald: Seit Wochen regnet es. Das Gelände im Visier sieht dementsprechend aus. Der Boden ist durchweicht und matschig, tiefe Pfützen haben sich gebildet. Die Luft ist erfüllt von dem erdig-frischen Geruch des Waldbodens. Das zu bepflanzende Waldstück befindet sich am Hang, etwas oberhalb von Hilterfingen und gehört der Burgergemeinde Hilterfingen. Durch das vermehrte Auf- und Abgehen der Menschen haben sich Treibbahnen, ja fast schon Rutschbahnen gebildet. Den Kindern gefällt das. Sie wuseln emsig herum und einige rutschen auf dem Hosenboden den Hang hinunter. Egal ob Wald erprobt oder nicht: Jedes Kind fühlt sich hier sichtlich pudelwohl und hat überhaupt keine Berührungsängste. Ihre Kleider sind morgens um neun Uhr voller matschiger Erde und ihre Gesichter strahlen voller Freude.

Nachdem im Rahmen des «KLIfit»-Abos mit der Burgergemeinde Hilterfingen im Januar das Holz entnommen und also für ausreichend Lichteinfall gesorgt wurde, pflanzten die Hilterfinger Schülerinnen und Schüler, aufgeteilt in Gruppen, während einer Woche insgesamt 300 junge Bäume der Sorten: Edelkastanie, Trauben-, Roteiche, Hagebuche und Winterlinde. Unter der Leitung von Forstwart-Vorarbeiter Bernhard Eicher vom Forstbetrieb Sigriswil und mit Unterstützung des Forstbetrieb-Teams schützten sie zudem jedes kleine frisch gepflanzte Bäumchen mit einem Drahtkorb gegen den Wildverbiss. Auf den schliesslich angebrachten Holzpfahl durften sie ihre Namen schreiben. So wissen Dylan, Luan, Isabel, Maila, Livio und Luca auch später noch, wo ihre Bäumchen stehen. Zumindest eine Zeit lang.

Für einige der Schülerinnen und Schüler der Schule Eichbühl waren die Stunden im Wald erstmalig – in dieser Art wohl sowieso für alle. Sie machten wertvolle Erfahrungen und konnten Wissen anreichern. Nebst dem Bäume pflanzen gab es noch mehr neue Kenntnisse rund um den Forst mit auf den Weg: Die Waldfachpersonen der Waldabteilung Voralpen, Laura Ryser und Michael Schenk, vermittelten nämlich obendrein interessante Inhalte über den Wald und seine Tiere. Erfrischt, zufrieden und verdreckt kamen die Kinder aus dem Wald. Der Moment wird ihnen und allen Beteiligten noch lange nachklingen.

Der Wandel im Wald
Mit dem diesjährigen feucht-kühlen Frühjahr leben nicht nur Waldbäume auf, sondern auch die Begleitflora in den Forstkulturen zeigt sich besonders wüchsig. Bevor die jungen Bäumchen überwachsen werden, sollte daher durch eine gezielte Kulturpflegemassnahme dem gewünschten Nachwuchs geholfen werden. «Wir werden die nächsten fünf bis sechs Jahre gut zu den Jungbäumen schauen und sie gezielt pflegen», erklärt Beat Reber. Dazu gehört etwa jeden Sommer das Ausmähen durch den Forstbetrieb Sigriswil. Das «KLIfit»- Abo beinhaltet auch eine Erfolgskontrolle. Die Wirkung wird laufend beobachtet und bis im Jahr 2030 forstbetrieblich analysiert. Der Kanton beteiligt sich im Übrigen zu 70 Prozent an der Investition. Im «KLIfit»- Projekt 2024 der Burgergemeinde Hilterfingen wurde zudem jüngst ein Waldlehrpfad im Hilterfingenwald angelegt, wo es verschiedene Baum- und Straucharten zu entdecken gibt. Ausserdem gibt es da zu erfahren, welche Baumarten in Hilterfingen für das Klima der Zukunft am idealsten sind. Barbara Marty

 


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