Darf ich mich vorstellen? Oberhofen. MS Oberhofen

  15.08.2024 Reportagen

Das abenteuerliche Leben einer weitgereisten Heimkehrerin, Verbannung und Rückkehr. Ein wichtiges Stück Thunersee-Geschichte.

Sie glauben nicht, was sich vergangene Woche bei mir in der Werfthalle der BLS abgespielt hat. Eigentlich wollte ich mich erst Anfang September, nämlich nach meiner offiziellen Einweihung in der Berner Oberland Charterschiff AG, wieder melden, aber ich will ihnen auf keinen Fall vorenthalten, was ich die Tage Grossartiges erlebt habe.
Seit April stehe ich nun schon hier mit dem Heck zum verschlossenen Tor in der staubtrockenen und manchmal auch etwas dunklen Werfthalle. Zwar war ich nie alleine, denn ständig haben sich zahlreiche fähige Handwerker mit viel Sachverstand um mich gekümmert. Und dennoch, was ist ein Berner Oberland Charterschiff ohne den Thunersee? Ein frisch lackierter Rumpf ohne die Wellen und das perfekt ausgerüstete Führerhaus ohne Kapitän? An den Klang meines Horns erinnere ich mich schon gar nicht mehr. Aber just in dem Moment, als sich bei mir Langeweile einstellt, scheint sich wieder etwas zu tun.
Das Gerüst, das mich umgab, wird abgebaut, Stühle und Tische, die in der Werftecke gestanden haben, in meinem Salon platziert und die weissen Kunststoff-Planen, die das offene Deck an Bug und Heck vor Wind schützen, angebracht. Ausser dem Arbeitsboot, das direkt hinter mir und der Treppe, die an meiner Seite steht, ist die Halle komplett leergeräumt. Wieder mal haben sich rund um mich ein gutes Dutzend Leute besammelt und schauen, mit den Unterarmen auf das Geländer gestützt, erwartungsvoll zu mir runter. Zu meinem Erstaunen öffnet sich hinter mir das Werft-Tor, gibt den Blick frei auf einen spiegelglatten Thunersee und die Morgensonne fällt auf mein Achterdeck.

Jetzt kommt Leben in die Halle, denn der Kran-Arm am Tor schwenkt sich in Position. Er hievt die Stauelelemente, die die trockene Halle vom Thunersee trennen aus der seitlichen Führung und legt sie, eins nach dem anderen, sorgfältig draussen vor der Halle ab. Jetzt strömt das Wasser des höheren Seespiegels mit lautem Rauschen in die Halle. Es kräuselt sich erfrischend meinem Kiel entlang, weckt meine Lebensgeister und steigt an, bis schliesslich der ganze Rumpf unter Wasser steht. Mich ergreift ein Gefühl grosser Freude und unbändigem Freiheitsdrang. Sorgsam und unaufgeregt entert mich die Crew aus einem kleinen Boot heraus, während ich spüre, wie sich das Gewicht meines Rumpfes auf den Holzblöcken am Grund zu entlasten beginnt. Ich schwimme! Alles, was mich jetzt noch hier drin hält, sind die seitlichen Leinen, mit denen ich an den Pollern am Hallenrand vertäut bin. Der Chef-Kapitän steigt behende in die erhöhte Führerkabine, startet den Motor und schon beginnt das Kühlwasser an verschiedenen Stellen am Rumpf in einem Strahl ins Wasser zurückzufliessen. Um meine Schiffsschraube rotieren die Wassermassen und aus meinem Kamin steigt ein zarter Dampf auf. Da ist er, der charakteristische tiefe Hornstoss, der in der Halle eine schöne Resonanz findet und den ich schon vergessen geglaubt habe. Die seitlichen Leinen lockern sich, während ich mich in eine langsame Rückwärtsbewegung versetze. Sie werden nur locker durch einen Mitarbeitenden der BLS geführt, der sich entlang des Beckens in Richtung Hallentor bewegt.

Ein langersehnter Wunsch geht heute in Erfüllung. Gemächlich verlasse ich unter der Steuerung des Kapitäns die Werfthalle im Rückwärtsgang. Raus in die Freiheit mit Blick auf Eiger, Mönch und Jungfrau, unter stahlblauem Himmel, vorbei an der geparkten MS Stockhorn bis hin zur leicht zurück versetzten Anlegestelle vor der Werft. Der Tag könnte nicht schöner sein, als ob sich das Berner Oberland für diesen besonderen Anlass rausgeputzt und den Thunersee gebügelt hätte. Die Zaungäste folgen mir entlang des Stegs, beobachten aufmerksam das erste Anlegemanöver und beim genau hinsehen habe ich den Eindruck, das eine oder andere glänzende Auge zu sehen. Welch ein Ereignis, welch eine Freude, nach all den Auf und Abs tatsächlich betriebsbereit und in neuem Kleid kurz davor zu stehen, wieder im Thunersee Dienst tun zu dürfen.

Die Tage bis zur öffentlichen Einweihung vertreibe ich mir mit Testfahrten, Fahrstunden mit den neuen Kapitänen und der Besichtigung sämtlicher Anlegestellen rund um den See. Das grosse Einweihungsfest findet am Samstag, 31. August, ab 14.00 bis 16.30 Uhr an der Ländte in Thun Hofstetten statt. Sind sie auch dabei? Ich freue mich auf ihren Besuch!
Ahoi, Ihr gewassertes Oberhofnerli Astrid Schmid

 


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